Thomas Appel, SALJOL GmbH
Thomas Appel ist Geschäftsführer der SALJOL GmbH, Wohnumfeldberatung und Hersteller von Premium-Hilfsmitteln zur Mobilitätserhaltung und -verbesserung älterer und körperlich eingeschränkter Menschen.
Herr Appel, als Wohnumfeldberatung unterstützen Sie Menschen dabei, möglichst lange im eigenen Zuhause wohnen zu bleiben. Die meisten Menschen entwickeln sich ja über eine Alltagsbetreuung in die Pflege hinein, bis es dann zur Feststellung eines Pflegegrades kommt. Beraten Sie mehr im „Vorfeld“ oder erst dann, wenn „die Lage ernst ist“? Wer sind Ihre Kunden?
Unsere Kunden sind in der Regel Menschen, denen es bewusst geworden ist, dass das Wohnen in den eigenen vier Wänden immer schwieriger oder unsicherer wird. Da dies ein eher schleichender Prozess ist, bei dem viele körperliche und geistige Einschränkungen durch Erfahrung ausgeglichen werden, ist häufig ein einschlägiges Ereignis der Auslöser für die Suche nach Rat.
Dieser wird dann entweder durch Angehörige, Kinder und Enkelkinder, aber auch Ehepartner, die die Situation alleine nicht mehr meistern können, oder Dritte wie Freunde oder ganz selten Ärzte und Therapeuten angefordert.
Wie definieren wir jetzt den Kunden? Nicht ganz so einfach, da wir in erster Linie für den Menschen arbeiten, der den Bedarf hat, das Gespräch aber häufig mit den besagten Freunden oder Angehörigen geführt wird.
Wie oft sind Angehörige bei Ihrer Beratung vor Ort anwesend und wie stark sind diese in den Entscheidungsprozess eingebunden?
Angehörige und Freunde (Peer Groups) spielen eine entscheidende Rolle und sind nahezu bei jedem Gespräch dabei. Und das ist gut so, denn häufig sind diese bereit, deutlich umfassendere Maßnahmen einzuleiten als die betroffenen Menschen selber.
Highlights in der Beratung sind für uns allerdings immer die Menschen, die sich selbst auch in der schwierigeren Situation noch selbst reflektieren und die bei der Beratung noch mitdenken und sich über die Möglichkeiten freuen, die sich aus den Maßnahmen ergeben. Fast immer kann man mit den persönlich betroffenen, aktiv für sich persönlich nachfragenden Kunden durch entsprechende Maßnahmen auch tatsächlich Ihre Unabhängigkeit und Freiheit erweitern, die sich aus dem Ausgleich der Mobilitätseinschränkungen und der Vermittlung von Sicherheit ergeben. Wir nennen das „Spaß am Leben vermitteln“. Leider sind zu wenige Menschen so selbstbewusst, diese Hilfe aktiv nachzufragen.
Wenn Sie vor Ort sind und das Wohnumfeld bewerten, was sind die „Klassiker“ im Bereich der Barrieren und wie einfach oder auch nicht lassen sich diese „üblichen“ Hindernisse aus dem Weg räumen?
Das hängt immer ganz individuell von der Veränderungsbereitschaft ab. Diese korreliert wiederum mit dem Problembewusstsein oder auch der potenziellen negativen Erfahrung, die dazu geführt hat, eine Wohnumfeldberatung in Anspruch zu nehmen.
Klassiker sind ganz banale Tipps und Tricks:
Die Eliminierung von Stolperfallen wie Teppichen, Kabel oder Unordnung in den Bewegungsbereichen. Dicht gefolgt von einer besseren Beleuchtung und der Überprüfung, dass alle intuitiv vom Kunden genutzten Punkte, an denen er oder sie sich durch die Wohnung hangelt oder stützt, auf Haltbarkeit und Sicherheit geprüft werden.
In der Regel empfehlen wir dann sehr schnell einen sehr stabilen und rundum greifbaren Wohnraumrollator, der wie ein fahrbarer Handlauf jeden Weg in der Wohnung begleitet, auf engstem Raum wenden kann und idealerweise auch mal im Sitzen genutzt werden kann (trippeln).
In den Bädern kommen nahezu immer zusätzliche Haltegriffe im Bade- oder Duschbereich zum Tragen, und häufig ist eine Erhöhung der Toilette mithilfe einer Toilettensitzerhöhung ein erster guter Rat.
Sieht man, wie sich ein Kunde quasi vom Stuhl oder Sessel „hochschaukelt“, ist ein gemütlicher Aufstehsessel das Mittel der Wahl, um nicht beim Aufstehen und Hinsetzen zu stürzen.
Weiterhin weisen wir natürlich auch auf die Möglichkeiten hin, die sich aus aufwendigeren baulichen Veränderungen ergeben würden. Barrierefreie Dusche, Entfernung von Schwellen sowie der Einbau eines Treppenlifts sind dann schon weiterführende Maßnahmen, die aber auch mit Fördermitteln bezuschusst werden können.
Die Kosten für die Veränderungen im Wohnumfeld können ja schnell mehrere Tausend Euro umfassen. Gibt es Förderung, und wie einfach bzw. komplex ist es diese zu beantragen?
Wohnumfeldverbessernde Maßnahmen werden im Einzelfall mit bis zu 4.000 Euro durch die Pflegekasse gefördert. Eine leicht verständliche Zusammenstellung der Voraussetzungen und Zuschussvarianten finden Sie hier:
https://www.pflege.de/pflegekasse-pflegefinanzierung/pflegeleistungen/wohnraumanpassung/
Umbauten, die zu mehr Barrierefreiheit führen, fördert auch die KFW. Hier ist zu beachten, dass die Fördermittel in jedem Jahr begrenzt zur Verfügung stehen und daher ein Antrag frühzeitig eingereicht werden sollte:
https://www.kfw.de/inlandsfoerderung/Privatpersonen/Bestehende-Immobilie/Barrierereduzierung/
Welche Rolle spielt die Digitalisierung heute bei der Wohnumfeldberatung und wie sehen sie deren Stellenwert in der Zukunft?
Wir setzen einen von Saljol entwickelten, umfassenden digitalen Fragebogen sowie die digitale Fotodokumentation als Unterstützung zur Wohnumfeldberatung ein. So stellen wir sicher, dass wir keine wesentlichen Aspekte vergessen oder unterschlagen, die für eine optimale Beratung notwendig sind. Gleichzeitig wird so auch für den Kunden die Aufnahme der Ist-Situation sauber dokumentiert und man kann auch die Veränderung des Freiheitsgrades vor und nach der Maßnahme dokumentieren. Leider benötigen wir diese Statuserhebung aber auch, um ggf. bei einer Verschlechterung der Situation des Kunden die nächsten Maßnahmen zu erarbeiten und zu begründen.
In Kürze werden wir zusätzlich eine digitale Situationserhebung als Hilfe zur Selbsthilfe auf der Saljol-Webseite www.saljol.de anbieten. Diese soll dann bereits unseren Kunden und Angehörigen helfen, ihre Situation richtig einzuschätzen. Daten werden dabei weder weiterverarbeitet noch gespeichert.
Selbstverständlich stehen wir als Wohnumfeldberater, genauso wie die von uns ausgebildeten Kollegen in den Sanitätshäusern, für eine intensive Begehung und Beratung vor Ort zur Verfügung.
Unsere umfassenden Informationen zur Stage Pflegebedürftigkeit finden Sie hier.