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Zukunft der häuslichen Pflege

Zukunft der häuslichen Pflege

Erhard Hackler, Deutsche Seniorenliga

Erhard Hackler ist Rechtsanwalt und geschäftsführender Vorstand der Deutschen Seniorenliga e.V., einer der führenden Interessenvertretungen der am stärksten wachsenden Bevölkerungsgruppe in Deutschland.

Herr Hackler, die Deutsche Seniorenliga wurde 1993 im Kontext zur häuslichen Pflege gegründet. Wie kam es, dass das Thema bereits vor fast 30 Jahren auf der Agenda stand?

Die Alterung der Bevölkerung war ja schon zu dieser Zeit absehbar, aber die Auswirkungen lagen halt noch weit in der Zukunft. Daher haben sich nur wenige Institutionen aktiv um das Thema gekümmert. Demgegenüber erkannten die Gründer der Seniorenliga die Notwendigkeit, vorausschauend zu agieren. Denn eins war damals schon klar: Der Großteil der Pflegebedürftigen wird im häuslichen Umfeld von Angehörigen gepflegt werden müssen.

Wie haben sich die Pflegenden von 1993 zu 2022 verändert?

Beginnen wir mit dem an, was sich nicht geändert hat: Die Hauptlast der Pflege tragen die Frauen in unserer Gesellschaft, als Ehefrau, aber auch als Tochter, Schwiegertochter oder Schwester.

Und da liegt auch der Unterschied: Früher waren weniger Frauen berufstätig. Eine Vielzahl der Frauen, die heute pflegen, ist berufstätig bzw. berufstätig gewesen. Viele Berufstätige mussten durch die Aufgaben der Pflege ihre Beschäftigung reduzieren oder gar aufgeben. Zwar hat das Konzept der Familienpflegezeit vieles verbessert, aber immer noch gibt es bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf einen großen Verbesserungsspielraum. Dies gilt auch für die Einbußen, die Pflegende bei der Altersversorgung erleiden.

Die gesetzliche Pflegeversicherung in Deutschland ist – auch im internationalen Vergleich – sehr gut. Wo sehen Sie hier noch Potenzial?

Die Pflegeversicherung bietet ein breites Unterstützungsspektrum, und durch die fünf Pflegegrade ist auch die Definition der Pflegebedürftigkeit verbessert worden. Aber hier liegt auch die Herausforderung für die pflegenden Angehörigen.

Wir haben ein sehr komplexes, teils undurchsichtiges System, das viele Pflegende überfordert. Es fängt mit der Ermittlung des Pflegegrades an und endet bei der Beschaffung von Hilfsmitteln. Eine kleinteilige Prozesskette, die pflegende Angehörige in der oft emotional belastenden Zeit der Pflege selbstständig und alleine durchschreiten müssen. Das überfordert viele, und so werden einige Leistungen nur wenig oder gar nicht in Anspruch genommen; beispielsweise sei hier die Verhinderungspflege genannt. Wir benötigen diesbezüglich eine bessere Unterstützung der Pflegenden.

Die Digitalisierung ist ja in aller Munde und in sehr vielen Bereichen des täglichen Lebens angekommen. Wie steht es um die Digitalisierung der häuslichen Pflege?

Als Deutsche Seniorenliga leisten wir seit dem Jahr 2000 im Rahmen unserer Öffentlichkeitsarbeit unseren Beitrag , damit auch ältere Menschen „nicht nur drin, sondern auch dabei sind“. Wir stellen aber auch fest, dass gerade die Digitalisierung lebenslanges Lernen nötig macht. Hier fordern wir seitens der Politik mehr Unterstützung für Ältere und fordern und fördern gleichzeitig die Bereitschaft, die digitalen Optionen zu ergreifen und dabeizubleiben. Und an dieser Stelle wird es gerade sehr spannend. 

Wir sehen durch das Digitale-Versorgung-Gesetz einen Trend dahingehend, Patienten mit verordnungsfähigen digitalen Angeboten zu unterstützen, und das begrüßen wir.  Aber ohne die potenziellen Nutzer, die Mehrheit sind „Gelegenheitsnutzer“, bei der Entwicklung und der Anwendung im Alltag zu unterstützen, wird sich der Erfolg dieser „DIGAs“ in Grenzen halten. Grund hierfür sind falsche Annahmen bei der Entwicklung, und zusätzlich die zu geringe Unterstützung bei der Anwendung im Alltag.

So wird es unserer Einschätzung nach auch bei den digitalen Pflegeanwendungen sein, die aktuell entwickelt werden. Das fehlende Verständnis kann sehr leicht dazu führen, dass digitale Lösungen nicht ent-, sondern belasten, da sie den Pflegenden überfordern.

Hinsichtlich der professionellen ambulanten Pflege gewinnen wir den Eindruck, dass auch hier an den Anwendern, den Pflegekräften, vorbei entwickelt wird. Es steht der Prozess und weniger der Mensch im Mittelpunkt. Wir sind gespannt, wie die Digitalisierung in diesem wichtigen Bereich der Pflege umgesetzt wird.

Unsere umfassenden Informationen zur Stage Pflegende Angehörige finden Sie hier.

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