M.D. Judith Bildau
Dr. Judith Bildau ist Gynäkologin und Unternehmensberaterin
Die Wechseljahre sind ein Thema, das mit der Alterung unserer Gesellschaft immer mehr an Bedeutung gewinnt. Gleichzeitig hat man den Eindruck, dass es immer noch ein Tabuthema ist. Was ist Ihre Meinung dazu?
Ich teile den Eindruck, dass dies immer noch ein Thema ist, über das man nicht gerne spricht. Zum Glück gibt es inzwischen eine große Bewegung in Deutschland, aber auch weltweit, die das ändern will. Das versuche ich mit meiner Arbeit zu unterstützen. Die Wechseljahre aus der Tabuzone herauszuholen bedeutet, das Bewusstsein zu schärfen, das überholte Bild zu hinterfragen, Ängste abzubauen und Frauen zu unterstützen, die gerade in den Wechseljahren sind.
Wie steht Deutschland in dieser Hinsicht im internationalen Vergleich da?
Mein Eindruck ist, dass Deutschland im internationalen Vergleich gar nicht so schlecht dasteht. Das heißt nicht, dass das soziale und wirtschaftliche Engagement ausreicht, aber es ist schon viel getan worden und ich bin überzeugt, dass in den nächsten Jahren noch mehr passieren wird. Natürlich gibt es Länder, die "Vorreiter" sind. In den USA gibt es schon seit langem Unternehmen, die ihre weiblichen Beschäftigten in den Wechseljahren unterstützen. Sie organisieren innerbetriebliche Informationsveranstaltungen, bieten Frauen den Kontakt zu Experten an und unterstützen sie auch mit Ernährungs- und Bewegungsprogrammen. In Großbritannien gibt es ein Zertifikat, das Unternehmen auszeichnet, die Frauen in den Wechseljahren unterstützen. Deutschland hinkt hier eindeutig hinterher. Aber ich lebe und arbeite auch in Italien und kann ganz klar sagen, dass Deutschland im Vergleich in jeder Hinsicht führend ist, was das Thema Wechseljahre angeht.
Stimmen Sie mit der Einschätzung überein, dass sich zu wenige Gynäkologen umfassend mit dem Thema befassen und die Geburtshilfe und Reproduktionsmedizin im Mittelpunkt der Praxen stehen?
Lassen Sie es mich so sagen: Ich bin der festen Überzeugung, dass alle Gynäkologen ihre Arbeit nach bestem Wissen und Gewissen machen. Vor allem die niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen haben meinen größten Respekt, denn sie betreuen Mädchen und Frauen jeden Alters. Sie bieten Verhütungsberatung, Schwangerschaftsbetreuung, Krebsvorsorge und -nachsorge usw. an. Das Thema "Wechseljahre" ist eigentlich lange Zeit "unter den Tisch gefallen". Ich denke, das lag auch daran, dass die berühmte" WHI-Studie aus dem Jahr 2002 angeblich gezeigt hat, dass Hormonersatztherapien gefährlich sind. Die Behandlungsmöglichkeiten schienen also sehr begrenzt zu sein, und folglich erhielten viele Frauen keine angemessene Hilfe. Heute wissen wir, dass Hormone, insbesondere nicht-synthetische Hormone, sicher und sehr hilfreich für Frauen sind, und ich hoffe daher, dass nun auch in den Arztpraxen mehr für die Patientinnen getan wird.
Viele Beziehungen stehen in den Wechseljahren vor Veränderungen und Herausforderungen. Was sollten Männer und Frauen tun, damit die Partnerschaft mit diesen Veränderungen zurechtkommt?
Hier, wie vermutlich in allen veränderten Lebenssituationen, ist das Schlüsselwort Kommunikation. Viele Partner fühlen sich hilflos gegenüber den Veränderungen, die in den Wechseljahren auftreten können. Das kann natürlich eine Partnerschaft erheblich belasten. Aber es kann auch eine Chance sein, sich gemeinsam weiterzuentwickeln. Wir können gemeinsam überlegen: Was wollen wir als Paar jetzt? Was wünschen wir uns für unsere (gemeinsame) Zukunft? Es ist wichtig, im Gespräch zu bleiben und, wenn man es alleine nicht schafft, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Ich finde es sehr wichtig, dass die Partner auch medizinisch über die Wechseljahre informiert sind. Das kann auch zu viel Verständnis und einer intimeren und besseren Beziehung führen.
Immer mehr weibliche Beschäftigte sind in den Wechseljahren oder werden es bald sein. Was können Unternehmen tun und ist die Menopause auch ein Thema für das betriebliche Gesundheitsmanagement?
WWir wissen jetzt, dass es höchste Zeit ist, Frauen in den Wechseljahren in ihrem Arbeitsalltag zu unterstützen. Leider stoße ich mit dieser Aussage bei den Unternehmen oft auf Unverständnis. Oft wird argumentiert, die eigene Gesundheit sei "Privatsache", also etwas, wofür der Arbeitgeber nicht zuständig sei. Natürlich kann man das so sehen - aber das ist sehr kurzsichtig. Kein Unternehmen, das zukunftsfähig sein will, kann es sich leisten, auf Frauen in den Wechseljahren zu verzichten. "Fachkräftemangel" ist hier ein wichtiges Stichwort. Bis 2030 wird ¼ der Weltbevölkerung in den Wechseljahren sein. Der gesamte jährliche wirtschaftliche Schaden, der durch das Fehlen von Frauen in den Wechseljahren entsteht, beläuft sich weltweit bereits auf rund 150 Milliarden Euro. Und die Tendenz ist steigend. Unternehmen müssen daher Frauen nicht nur beschäftigen, sondern sie auch unterstützen und fördern. Dies kann in Form von regelmäßigen Informationsveranstaltungen, speziellen Schulungen für Betriebsärztinnen und -ärzte, der Schaffung eines menopausenfreundlichen Arbeitsplatzes, der Ernennung einer Menopausenbeauftragten, Gleitzeit, der Möglichkeit, von zu Hause aus zu arbeiten, und so weiter geschehen. Die Möglichkeiten sind vielfältig und ich garantiere: Am Ende ist es eine Win-Win-Situation für alle!
Die Startup-Szene "entdeckt" das Thema unter dem Hashtag "Femtech". Wie beurteilen Sie diese Entwicklung? Was sind gute Beispiele und was sind Flops?
Ich freue mich, dass nun auch die Frauengesundheit digital wird! Ich hoffe, dass dies für die Frauen von großem Nutzen sein wird! Gute Beispiele sind Start-ups, denen die Sache wirklich am Herzen liegt, die Frauen mit digitalen Lösungen echte Hilfe bieten. Flops sind alle Unternehmen, die dubiose Versprechungen machen, um aus der Not der Frauen Profit zu schlagen.